World Autism Awareness Day
Autismus ist als tiefgreifende Entwicklungsstörung definiert und bedeutet, dass das Gehirn Informationen anders verarbeitet.
Dies zeigt sich vor allem bei der sozialen Interaktion und Kommunikation, aber zum Beispiel ebenso bei der Motorik, den Gewohnheiten und Interessen, was gleichermaßen Stärken und Schwächen mit sich bringen kann.
In Deutschland wurde Autismus bis vor Kurzem noch in verschiedene Erscheinungsbilder untergliedert, während international bereits von der Autismus-Spektrum-Störung gesprochen wurde – dies spiegelt die Vielfalt und vor allem die fließenden Übergänge der Formen wider.
In den Medien werden oft eher klischeehafte Darstellungen des Autismus gezeigt, jedoch sieht die Realität anders aus: denn wir sind in erster Linie Menschen, und somit individuell und verschieden.
Unser Ziel ist es, aufzuklären um langfristig mehr Verständnis und Akzeptanz zu erreichen.
Jedes Jahr bezieht sich der Welt-Autismus-Tag auf ein neues Thema:
- 2012: Einführung der UN-Briefmarke “Awareness Raising”
- 2013: Die Fähigkeiten innerhalb der Behinderung des Autismus feiern
- 2014: Türen öffnen zur inklusiven Bildung
- 2015: Berufsätigkeit: Der Autismus-Vorteil
- 2016: Autismus und die 2030-Agenda: Inklusion und Neurodiversität
- 2017: Auf dem Weg zu Autonomie und Selbstbestimmtheit
- 2018: Empowerment von Frauen und Mädchen mit Autismus
- 2019: Assistive Technologien, aktive Teilhabe
- 2020: Der Übergang zum Erwachsensein
Das Thema am 02.04.2021:
Inklusion am Arbeitsplatz: Herausforderungen und Chancen in einer Welt nach der Pandemie
Das Thema rückt die Erfahrungen aus der derzeitigen Situation ins Rampenlicht, und zeigt vor allem auch Optionen für Arbeitgeber auf, wie sie Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung nicht nur inkludieren können, sondern auch die Vorteile dabei zu schätzen lernen.
Covid-19 war für viele Unternehmen eine enorme Umstellung, nie hat man sich intensiver darüber Gedanken gemacht, wie man Arbeitsplätze effizient umgestalten kann, sodass sie möglichst kontaktarm oder von Zuhause aus umgesetzt werden können.
Was der Wirtschaft geschadet und den Menschen das Leben erschwert hat, bot auf der anderen Seite dennoch auch den Nährboden, sodass neue Denkweisen und Lösungsansätze daraus entstehen konnten.
Dies bedeutete auch eine Abweichung von Routinen und gewohnten Umgebungen und Situationen, eine plötzliche Änderung der Gewohnheit, die so wichtig für Menschen im Autismus-Spektrum ist.
Gleichzeitig bot es jedoch auch für viele Menschen im Autismus-Spektrum die Möglichkeit, zu erblühen, ihre Fähigkeiten neu zu entdecken und trotz der Distanz an der Gesellschaft teilzunehmen wie es ihnen vorher nicht möglich war.
Zum Welt-Autismus-Tag 2021 haben wir unsere Nutzer befragt; heute präsentieren wir Stimmen aus unserer Gemeinschaft zu den folgenden Fragen des diesjährigen Themas:
- Welche Vorteile entstanden durch die pandemiebedingten Änderungen?
- Welche Nachteile im Alltag und am Arbeitsplatz sind dadurch entstanden?
- Wo besteht Verbesserungsbedarf?
- Welche Wünsche bestehen unabhängig davon zur Inklusion am Arbeitsplatz?
Das sagt die Community:
Welche Vorteile entstanden durch die pandemiebedingten Änderungen?
“Es wird nicht erwartet, dass ich ununterbrochen und jeden Tag im Büro sitze. Ich kann mir meine Heim- und Büroarbeitszeiten besser einteilen.” – Sarah W.
“Weniger Kontakte mit Menschen. Weniger soziale Verpflichtungen.” – Steffi
„Ungestörteres Arbeiten durch vermehrtes Home-Office und somit Entzerrung von Doppelbelegungen. Weniger Meetings, die in Präsenz stattfinden und damit auch Reisetätigkeit verursachen.“ – Nichi
„Keine Mimikmaskerade in der Öffentlichkeit erforderlich wegen Maskenpflicht, durch Maske unbehelligt Selbstgespräche führen möglich, ein zusätzlicher Home-Office-Tag, größere körperliche Distanz zu Mitmenschen akzeptabel, weniger Kollegen bei Anwesenheit im Büro.“
„Homeoffice ist viel reizärmer als im Büro! Weniger sozialer Druck Menschen zu treffen.“ – Sarah
„Entfall von Berührungen: keine Umarmungen/Bussis zur Begrüßung Reduzierung sozialer Kontakte durch Home Office und online Meetings Ungestörteres Arbeiten im Home Office Insgesamt weniger Erschöpfung zum Feierabend Arbeitgeber wird dauerhafte Home Office Möglichkeiten einräumen“
„Niemand versteht ein Nicht-die-Hand-geben als unhöflich Es wird mir kein Smalltalk mehr aufgezwungen Arztpraxen sind nicht mehr überlaufen & wenn doch darf ich ohne schlechtes Gewissen das Wartezimmer verlassen und bin deswegen nicht “komisch” Große Veranstaltungen wie z.B. Familienfeste finden nicht statt Teamsitzungen werden mit genügend Abstand in großen Räumen abgehalten Schulungen finden nur in Papierform und nicht mehr persönlich in großen Gruppen statt“ – Carmen S.
„Abstand, kein Hände schütteln, kein Zwang ständig etwas unternehmen zu müssen und sich erklären zu müssen. Das Leben ist entschleunigt und wunderbar leicht.“
Welche Nachteile im Alltag und am Arbeitsplatz sind dadurch entstanden?
„Mehr Druck von der Firmenleitung, die Vorgaben zu erfüllen, egal wie.“ – Sarah W.
„Homeschooling was mittlerweile sehr anstrengend ist da die Kinder und auch ich nicht mehr können. Etwas freie Zeit wäre schön.“ – Steffi
„Mehr Video- und Telefonkonferenzen, dies führt (bei mir) zu einer erheblichen Überforderung. Ich weiß nie, wann ich sprechen soll, kann versch. Stimmen nur schwer unterscheiden.“ – Nichi
„Maske hat zu Beginn Depression getriggert, aber nach ein paar Wochen eigentlich nur noch Vorteile für mich.“
„Veränderte Routinen, Hobbys können nicht mehr ausgeführt werden. Ausgleich fehlt. Planungsunsicherheit.“ – Sarah
„Am Arbeitsplatz: – Abläufe wurden schlagartig und nicht konstant geändert – Das Verhalten aller Mitarbeiter hat sich aufgrund ihrer veränderten Stimmung verändert und war so nicht mehr für mich deutbar bzw. nachvollziehbar…Ich konnte nicht mehr auf meine Muster zurückgreifen
Im Alltag: – Meine Tagesstruktur und Abläufe wurden verändert – Einkaufen wurde aufgrund der Hygienemaßnahmen noch belastender, weil ich meinen Gewohnheiten nicht nachgehen konnte – Die Aggressivität der Menschen hat mir zu Schaffen gemacht.“
„Technisch schlechtere Ausstattung im Home Office Kaum Aktivitäten außer Haus – vermutlich hat sich die Sensitivität dadurch weiter erhöht.“ „Es besteht MNS-Pflicht, wodurch ich Situationen noch schlechter einschätzen kann.“ – Carmen S.
Wo besteht Verbesserungsbedarf?
„Die Perspektivlosigkeit macht Angst.“ – Steffi
„Insgesamt sollte mehr auf die Bedürfnisse von Autisten eingegangen werden bzw. die Interaktion mit Autisten sollte für Betriebe Normalität werden. Beispw. könnte man Schulungen und Seminare abhalten, die über Autisten mehr Wissen vermitteln.“ – Nichi
„Für mich persönlich derzeit nirgends.“
„Ich weiß nicht, wie man das Problem der Pandemie hätte besser lösen können. Definitiv nicht so viel hin und her.“
„Alle möglichen Behinderungen werden mit geeigneten Bedingungen und Technik unterstützt und von der Schwerbehindertenvertretung eingefordert – Autismus kommt dabei aber leider nicht vor.“
„Arztpraxen sollten ihre Organisation besser handhaben und Termine entzerren um
- Abstandsgebot einhalten zu können und
- Wartezeiten zu verkürzen.“ – Carmen S.
Welche Wünsche bestehen unabhängig davon zur Inklusion am Arbeitsplatz?
„Nicht ständige Radiobeschallung. Von der Aufteilung: Homeoffice, Bürozeiten kann es gerne so bleiben, wie es jetzt ist.“ – Sarah W.
„Verständnis durch die Kollegen. Aber zuerst muss ich selber herausbekommen was ich brauche.“ – Steffi
„Weniger Meetings mit Kolleg*innen. Mehr Toleranz für direkte Kommunikation. Möglichkeit zum dauerhaften Homeoffice und weniger sozialer Druck.“ – Sarah
„Verstärktes Verständnis für die Bedürfnisse und Belange von Autisten. Z.B. klare Kommunikationssprache, konkrete Arbeitsanweisungen oder das Einhalten von Regeln (für alle).“ – Nichi
„Für mich persönlich keine.“
„Mehr Offenheit und Selbstverständlichkeit für Diversität.“
„Ruhezonen / Rückzugmöglichkeit: Akzeptanz – Raucherpause wird toleriert, kurzes Augenschließen gilt selbst in der unbezahlten Pause als Faulenzerei.“
„Ich möchte mich “outen” dürfen und offen über mein “Ich” reden dürfen – so wie alle anderen auch – ohne dabei beurteilt oder verurteilt zu werden. Ich möchte kein lebenslanges Geheimnis mit mir herumtragen, was für mich mit Unehrlichkeit und schon fast mit einer Lüge einhergeht. Ich möchte keine Angst mehr haben müssen, dass wenn jemand von meinem Autismus weiß, es im schlimmsten Fall zu einer Kündigung kommen könnte.“ – Carmen S.
Wir danken herzlich für die Teilnahme, und hoffen dass die angesprochenen Punkte unsere Leser zum Nachdenken anregen. Während manche Dinge langfristige Ziele sind, an der die Welt derzeit gemeinsam arbeiten muss und die das Ziel des Autismus-Tages widerspiegeln, sind andere für Nicht-Autisten nur kleine Änderungen ihrer Gewohnheit, die für Menschen im Autismus-Spektrum sehr viel mehr bedeuten.
Weiterführende Links: https://www.un.org/en/observances/autism-day https://www.autismus.de/fileadmin/NEWS/AE_s_campaign_2020-_2021_The_basics.pdf http://undocs.org/A/RES/62/139
Welche Unterstützungsmöglichkeiten es im Alltag bereits gibt, berichten wir hier:
https://www.autline.de/hilfe/hilfsangebote/